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Coastal Vibes

Coastal Vibes

Squamish hat normalerweise sehr milde Winter, in denen man viel radfahren kann. Aber dieses Jahr brachte uns der Dezember jede Menge Schnee und sogar Sturmwarnungen mit Temperaturen von bis zu -20°C. Das arktische Wetter hat sich inzwischen verzogen, der Schnee aber wird nicht so schnell verschwinden. Selbst an der Sunshine Coast, die von Vancouver rund 40 Minuten mit der Fähre entfernt ist, hat es über Weihnachten geschneit. Zum Glück aber deutlich weniger, so dass sie jetzt langsam aus der kurzen Winterpause erwacht. Somit steht unser heutiger Plan schnell fest: Ein Ausflug von Squamish nach Robert Creek.

Eine kurze Autofahrt zur Fähre führt uns über den Sea-to-Sky-Highway zur Horseshoe Bay. Es ist ein wunderschöner Tag und erst als wir aus dem Auto aussteigen merken wir, dass es noch immer Januar ist. Hier im überschaubaren Hafen legen die Fähren nach Vancouver Island, Bowen Island und zur Sunshine Coast ab, und im Sommer ist es ratsam, einen Platz zu reservieren. Nicht aber heute: Nur ein paar wenige weitere Bikes, die wir auf den Ladeflächen einiger Pickups oder auf Fahrradträgern entdecken, bestätigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Allein die Fahrt mit der Fähre ist schon den frühen Start wert. Es hat etwas sehr Friedliches, wenn die tief hängenden Wolken über die Küste ziehen und nach und nach die verschiedenen kleinen Inseln auftauchen, während wir uns Langdale nähern. Es ist kalt und ein bisschen windig, aber die Sonne und die Wolken sorgen für einen schönen Start in unsere Reise.

Hätten Orte einen Herzschlag, würde die Sunshine Coast mit einem entspannten 45er-Puls chillen. Wir fahren auf der einzigen Hauptstraße entlang der Küste, durchqueren Gibsons und fahren weiter nach Roberts Creek. Die sich windende Straße, der dichte Wald und das langsame Tempo des Verkehrs lassen uns den Moment genießen. Die Stimmung an der Küste hat etwas, das mich einfach ergreift. Sie bringt die Gedanken zum Schweigen, die mir normalerweise durch den Kopf gehen, die Sorgen und Herausforderungen des täglichen Lebens, und lässt mich im Einklang mit dem Hier und Jetzt leben.

Roberts Creek hat ein kleines Zentrum mit Geschäften und Restaurants direkt am Meer. Dort parken wir unser Auto, um im Gumboot Cafe etwas zu essen zu bekommen. Das leckere Linsenpastetchen mit Avocado und einer kreativen Mischung aus Grünzeug soll uns für den Tag im Wald stärken.

Gerade als wir uns auf den Weg zu den Trails machen wollen, entdecken wir hinter dem Café einen kleinen Laden, der sofort unsere Aufmerksamkeit erregt. Der Melomania-Laden entpuppt sich als ein kleines verstecktes Juwel an der Sunshine Coast, mit Schlagzeug, Gitarren und Vinyl! Ich habe eine Schwäche für Vinyl und bin der festen Überzeugung, dass nichts das Ritual ersetzen kann, eine gepresste Kopie von Musik zu hören. Egal, wie viel einfacher es wäre, eine Spotify-Wiedergabeliste per Alexa-Sprachbefehlt zu starten, ohne Vinyl würde bei mir eine große Lücke entstehen. Also stöbere ich in den Kisten mit gebrauchten Schallplatten aus den 70er und 80er Jahren und stolpere über ein Supertramp-Album von 1977, das mich an meine Kindheit erinnert, als mein Vater diese Lieder spielte. Die Platte als Erinnerungsstück für diesen Trip nach Hause zu nehmen ist eine weitere Sache, die eine digitale Kopie nicht ersetzen kann. Wir plaudern eine Weile mit Paul, dem Ladenbesitzer, und stellen fest, dass wir eine gemeinsame Leidenschaft für Fahrräder haben. Seine Erzählungen über die Cranked-Videos von damals und die Trial-Sequenzen mit Ryan Leech, die in Roberts Creek gefilmt wurden, machen uns bewusst, wie lange Mountainbiken an diesem Ort schon gelebt wird.

Schon jetzt also ein grandioser Tag - und dabei waren noch gar keine Bikes im Spiel! Höchste Zeit, Letzteres zu ändern! Wir fahren die letzten paar Kilometer von Roberts Creek eine Schotterstraße hinauf, laden dort dann die Fahrräder ab und ziehen uns um.

Als erstes treten wir ein wenig in die Pedale in Richtung eines Trails namens Twisted Sista's. Die Bedingungen im Wald scheinen optimal zu sein. Während der Nebel noch im unteren Teil des Waldes hängt, kommt immer mehr die Sonne durch, je höher wir kommen. Twisted Sista's entpuppt sich als ein großartiger Trail für den Anfang: nichts allzu Verrücktes, aber ein guter Flow und perfekter Boden. Bald stoßen wir auf Relikte aus früheren Zeiten, die sich die Natur langsam zurückerobert. Es fühlt sich an wie ein kleines Museum der Mountainbike-Geschichte. Die Holzkonstruktionen wurden einst von Pionieren befahren, die den Grundstein für das Mountainbiking gelegt haben. Es ist einfach so cool, diese Relikte zu betrachten und sich vorzustellen, wie sie damals befahren wurden. Keine 29er, keine Dropper Posts, keine modernen Geometrien. Dafür wahrscheinlich jede Menge Federweg und echte Skills, um die fehlenden technischen Entwicklungen, die heute die Norm sind, wettzumachen.

Vom Ende des Twister-Trails geht es wieder hinauf zu einem echten Roberts-Creek-Klassiker: Mach Chicken. Direkt neben dem Start des Trails finden wir eine malerische Grillstelle, die sich perfekt für eine kleine Pause eignet - Blick aufs Meer durch die Bäume inklusive!

Mach Chicken beginnt mit einer hölzernen Rampe, die sich wie ein Startrampe anfühlt. Schon auf den ersten Metern überzeugt uns der rasante Trail voll und ganz.

Mit schnellen Kurven und kleinen Gaps bahnt er sich seinen Weg durch den Wald und lässt keine Möglichkeiten, weit vorauszuschauen. Die erste Abfahrt oder jemandem direkt zu folgen, kann dadurch anfangs etwas beängstigend sein, doch die Kurven-Kombis funktionieren so gut, dass man schnell genug vertrauen entwickelt um die Bremsen weit offen zu lassen.

Nach dem ersten Abschnitt mit schnellen und engen Kurven wird Mach Chicken ein wenig natürlicher, mit mehr Wurzeln, losem Boden und offenen Kurven. Wir biegen versehentlich wieder auf Twister ab, was uns zurück zu Twister Sista's führt, wo wir unsere Fahrt begonnen haben. Die Berge von Vancouver Island tauchen immer wieder durch den Wald auf, Aussicht und Atmosphäre sind stets fantastisch. Ich bin hier schon vor Jahren im Sommer gefahren als alles knochentrocken und staubig war, aber ich glaube, die heutige Bedingungen sind mir lieber. Der grüne Wald ist so dicht, feucht und, nun ja, grün. Es ist einfach atemberaubend.

Als Nächstes steht ein Trail an, den wir als Erstes begehen, denn er ist auf Trailforks als “double black” markiert und verspricht Sprünge, Drops und andere Features. Wir fahren “Hand Solo”, gefolgt von “Jumps”. Bis auf ein paar massive Dirt Jumps am Ende des Trails ist für uns alles einigermaßen machbar und macht mit dem kleinen Jibb viel Spaß!

Und das war's! Nicht schlecht für einen Ride im Januar, wenn der größte Teil von BC mit einer dicken Schneeschicht bedeckt ist.

Bevor wir die Fähre zurück nehmen, machen wir noch einen kleinen Abstecher nach Gibsons um etwas etwas bei der lokalen Brauerei “Tapworks” zu essen und so den Sunshine Coast Vibe, in den ich mich verliebt habe, perfekt abzurunden. Gutes Essen, Vinyl, tolles Biken, freundliche Leute und gutes Bier. Was will man mehr?

Photos by Rob Perry @robperry__

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